Ohne Traurigkeit, 2001, verschiedene Materialien

 

Ohne Traurigkeit, 2001, Detail

Ohne Traurigkeit

Die Traurigkeit, wie der Titel andeutet, ist in dieser Installation merkwürdig gebannt, aber eben um ihre Abwesenheit geht es. Wenn hier auf Traurigkeit verzichtet wird, dann trifft das auch die Expressivität der Installation: den Objekten haftet, trotz formaler Klarheit, ja Schönheit, eine seltsame Unzulänglichkeit an – es bleibt dem Betrachter überlassen, den roten Faden, die Verbindungslinie zwischen ihnen zu knüpfen. In der Mitte des Raumes stehend, in die Installation unbehaglich und wie überflüssig integriert, wird der Standort des Betrachters zu einem weiteren Punkt in dem kommunikationslosen Bezugssystem zwischen den drei Portraits, den drei metallenen Kastenrahmen und den drei quer gelegten Vorhängen. Objekte, die untereinander dieselbe Distanz zu haben scheinen, wie der Betrachter zu ihnen. Sie stehen nicht einmal für sich da und werden sogar in ihrem Gebrauchswert ad absurdum geführt.
Kaum noch kenntlich die drei Gesichter auf der linken Seite, kaum noch sichtbar der langsame, schwere Blick, der, wie hinter einem Schleier ins Leere, vorbei am Betrachter schaut: ein verborgener oder ein weggefegter Blick. Nur andeutungsweise umreißt der metallene Rahmen einen Kasten, ein Inneres, das gleichsam durchsichtig, schutzlos sich darstellt. Weder geheim behütend, noch gefüllt sind die Kästen, sondern ganz sinnlos leer, der halb geöffnete Deckel überflüssig. Auf den Kopf gestellt werden die alltäglichen Gardinen, aber wie auch gedreht und gewendet, sie bleiben zugezogen, verschlossen, kein Blick nach Außen möglich. Ist das ein Schutz oder Autismus?

Und der Betrachter, dessen Standpunkt in die Gebanntheit und die Sinnlosigkeit der Objekte eingezogen ist, der sich mitten im Raum aufhält, produziert den künstlichen Raum erst und erkennt, dass sich Außen und Innen hier gegenseitig aufheben, ja verhindern. Denn eben die Konstruktion einer Grenzlinie, die unsichtbar allen Differenzierungen, allen Verortungen vorausgeht, bleibt in der Installation unkenntlich, unmöglich. Der Betrachter ist stets außen und innen zugleich – er steht außerhalb der Kästen, deren eigenes Innen aber erscheint selbst wie nach außen gekehrt. Er wird von oben herab angeblickt, aber die drei Gesichter zeigen sich introvertiert, abwesend – alles Repräsentative ist in ihnen verwischt – und geben den Blick des Betrachters auf sie selbst frei. Wendet sich dieser nach rechts, so erlebt er sich wieder im Innen: Aber hinter den Gardinen gibt es kein außen, vor dem man sich abschotten könnte, nur die Wand, vor der wir stehen. Alles an dieser Installation ist unsichtbare Wand, es gibt kein Hinüber, es gibt keine Möglichkeit zur Zugänglichkeit, es gibt nur Leere, Überfluss und Schönheit. Es gibt keine Möglichkeit zur Traurigkeit, oder vielleicht nur an diesem einen Punkt, an dem sich der Künstler selbst zu Wort meldet: in seinem Titel, der den Faden benennt und gleichzeitig die Trennlinie und der noch im Benennen die Anwesenheit der Traurigkeit einklagt.

Nicola Behrmann