Tobias Becker / Alex Gross - Raumgerät, 2003, Holz, Teppich, ca. 1100 x 170 x 165 cm

Fotos: Norbert Wiesneth

Raumgerät

In formaler Hinsicht entspricht das Raumgerät einem stark reduzierten, überdimensionalen, gedehnten Auto. Fenster Türen und Räder fehlen, das Gerät präsentiert sich in kompakter Eckigkeit als geschlossener Raum.
Der Betrachter kann die gewohnte Innenraumperspektive nicht einnehmen, einzig die in Fraktale zersplitterte Front gewährt ihm Einblick in die Innenkonstruktion. Wenn der Betrachter den Ausstellungsraum - die ehemalige Filiale einer Videothek - betritt, so sieht er das Gerät zunächst von hinten. Er muss etliche Meter an dem Auto entlang laufen, bevor er die deformierte Kühlerhaube erreicht.
Das Auto ohne Räder ist mit der vollen Wucht des Stillstands gegen einen Widerstand geprallt. Der Betrachter ist Zeuge eines konstruierten Unfalls. Im Raum befindet sich nichts, wo das Auto hätte gegen fahren können, die Schaufensterscheibe, die es von den davor parkenden Autos trennt, ist heil. Das Raumgerät fordert die Vorstellungskraft und Kombinationsfähigkeit des Betrachters heraus; gedanklich lässt er das Auto durch die Fensterscheibe in den Raum rasen und beobachtet zeitgleich den Prozess seiner Entstehung im Raum.

Als Grundmaterial dienen Teile des im Raum verlegten blauen Teppichs. Wie in einer Computergrafik die Vektoren von einer Textur bedeckt werden, überspannt der Teppich eine Holzkonstruktion. Das Objekt referiert sowohl zum Umraum, als auch zur Fußbodenfläche. In seiner Vorstellung versucht der Betrachter das Gerät wieder in seine Versatzstücke zu zerlegen und die Lücken im Teppich zu füllen, was mit einer gedanklichen Häutung des Geräts vergleichbar ist. Haut wird Teppich, Teppich wird Haut, Körper wird Fläche. Durch die Sichtbarmachung des Entstehungsprozesses wird ein Gedankenspiel von Konstruktion und Dekonstruktion in Gang gesetzt.

Anne Wiltafski